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Dieser Artikel stammt aus der Volksstimme vom 04. April 2006

Volksstimme-Serie "Bahnstrecken im Altmarkkreis"

Eisenbahn eroberte ab 1928 auch den Hans-Jochen-Winkel

Die Volksstimme stellt in ihrer Serie "Bahnstrecken im Altmarkkreis" in den nächsten Wochen die Geschichte von noch existierenden und fast vergessenen Zuglinien in der Region vor. In der heutigen fünften Folge: die Verbindung Salzwedel - Diesdorf.

Von Bodo Habermann und Torsten Adam

Salzwedel. Die Staatsbahnstrecken Stendal - Salzwedel - Uelzen und Salzwedel - Oebisfelde waren bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts die einzigen Schienenverbindungen in der westlichen Altmark, große Gebiete des landwirtschaftlich stark entwickelten Kreises waren nicht an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Es entstand immer mehr die Forderung nach lokalen Eisenbahnen. Einflussreiche Großgrundbesitzer und auch Bankiers setzten schließlich den Bau einer Kleinbahn durch. Es gründete sich die "Kleinbahn GmbH Salzwedel - Diesdorf".
Die Gesellschafter beschlossen, eine Schmalspurbahn mit 1000 Millimetern zu bauen. Nach den Unterlagen und Plänen des Ingenieurs Heinrich Adrian begannen die Bauarbeiten. Bereits am 15. Oktober 1901 wurde die 31 Kilometer lange Strecke in Betrieb genommen. Sie führte von Salzwedel über Salzwedel-Altpervertor, Salzwedel-Neutor (später Gelände der Firma Krümmel), Wallstawe und Dähre direkt nach Diesdorf. Der heutige Wartheweg war also einst ein Bahndamm.

Kostspieliger Umschlag auf andere Spurbreite

Die Linie blieb bis 1903 eine reine Stichbahn, doch dann wurde ein Anschluss in Diesdorf an die normalspurige Kleinbahn nach Beetzendorf hergestellt. Eine aufwändige Arbeit war der Güterumschlag von Normal- auf Schmalspur. Aber dieses kostspielige Argument war dann der Anlass, in den verkehrsschwachen Sommermonaten 1927 und 1928 die Strecke zwischen Salzwedel und Diesdorf auf Normalspur (1435 Millimeter) umzurüsten. Im Nordwesten des Kreises, dem Hans-Jochen-Winkel, wollten die angrenzenden Dörfer ebenfalls einen Eisenbahnanschluss. Besonders für Bonese und Schadeberg bestand ein besonderer Bedarf. Bonese hatte eine Ziegelei im Lerchengrund und wie Schadeberg eine Molkerei. So konnten besonders Brennstoffe per Bahn angeliefert werden, und die in Bonese hergestellten Ziegelsteine erreichten günstig ihre Abnehmer.
Das Teilstück Salzwedel - Dähre wurde am 4. Oktober 1927 dem Verkehr übergeben. Von Dähre wurde die Trasse neu über Bonese geführt und verlängerte sich so um fünf Kilometer. Der Hans-Jochen-Winkel war ab dem 3. Oktober 1928 an das Eisenbahnnetz angeschlossen.
Es entwickelte sich ein reger Personen- und Güterverkehr. Besonders erwähnenswert ist der starke Schülerverkehr, denn Omnibusse gab es noch wenige. In Diesdorf bestand ein Bahnanschluss nach Beetzendorf, wobei in Rohrberg eine Umsteigemöglichkeit nach Hanum/Zasenbeck bestand. Von Diesdorf aus fuhren zwei Zugpaare, an Sonn- und Feiertagen eins, über Waddekath nach Wittingen. Nach der Grenzziehung wurde 1945 diese Bahnverbindung völlig eingestellt.
Eine starke Güterverladung gab es entlang der gesamten Strecke. In Steinitz wurde von speziellen Güterwagen Zement in die dortigen Silos gepumpt, in Tylsen war es die Holzverladung, in Ellenberg brachten Kühlwagen frischen Seefisch zur dortigen Fischräucherei. Dähre war Umschlagplatz für Düngemittel, in Dähre-West (Winkelstedt-Kleistau) wurden Rohre für die Erdgasförderung entladen und zwischengelagert. Auch Diesdorf war ein reger Verladeort. Spezialtransportanhänger für die Nationale Volksarmee aus Bornsen, Holz sowie Getränke aus der ortsansässigen Mosterei gelangten per Bahn zu den Empfängern. An fast allen Orten wurden Zuckerrüben, Kartoffeln und Vieh verladen. In Diesdorf nutzte der VEB Getreidewirtschaft ein kurzes Stück der ehemaligen Bahn nach Wittingen als Anschlussgleis.
Nach der politischen Wende 1989 nahm der Güterverkehr rapide ab. Die drei täglich verkehrenden Personenzugpaare wurden immer weniger genutzt, Im Jahr 1993 wurde auf dem Abschnitt Dähre - Diesdorf der Zugverkehr eingestellt und Reisende fortan per Bus transportiert.

Letzter Triebwagen am Silvestertag 1995

Zwei Jahre später kam auch das Aus für die restliche Strecke. Am 31. Dezember 1995 fuhr Lokführer Frank Nieber den letzten Triebwagen von Salzwedel, vollbesetzt mit vielen Eisenbahnfreunden, nach Dähre. Auch der MDR berichtete in seinem Hörfunkprogramm von diesem traurigen Ereignis.
Heute verkehren nur noch wenige Omnibusse auf der Landesstraße 8 entlang der einstigen Bahnlinie. Sonntags ist der Flecken Diesdorf von der Kreisstadt überhaupt nicht zu erreichen.


Das Ende einer Bahnstrecke: Am 31. Dezember 1995 begab sich die "Ferkeltaxe" auf Abschiedsfahrt von Salzwedel nach Dähre.


Plandampf mit der Dampflok 641491-6 im April 1994, hier in Wallstawe.  Fotos: Bodo Habermann