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Dieser Artikel stammt aus der Volksstimme vom 28. März 2006

Volksstimme-Serie "Bahnstrecken im Altmarkkreis"

Auswanderer reisten über Salzwedel in die neue Welt

Die Volksstimme stellt in ihrer Serie "Bahnstrecken im Altmarkkreis" in den nächsten Wochen die Geschichte von noch existierenden und fast vergessenen Zuglinien in der Region vor. In der heutigen vierten Folge: die so genannte "Amerika-Linie" Stendal - Salzwedel - Uelzen.

Von Bodo Habermann und Torsten Adam

Salzwedel. Die erste Eisenbahn rollte 1835 durch Deutschland. 14 Jahre später waren die ersten Züge in der Altmark zu sehen: auf der Strecke Magdeburg - Stendal - Wittenberge, die als Zubringer für die Elbschifffahrt diente. Es sollte aber noch geraume Zeit dauern, bis auch die westliche Altmark an das immer dichter werdende deutsche Eisenbahnnetz angeschlossen wurde. 1867 begannen Verhandlungen über den Bau einer 108 Kilometer langen Bahnlinie von Stendal über Salzwedel nach Uelzen mit der Magdeburg-Halberstädter Eisenbahngesellschaft und dem Königlichen Eisenbahn-Kommissariat Berlin. Der erste Teilabschnitt zwischen beiden großen Altmark-Städten wurde am 15. März 1870 feierlich eingeweiht. Die Übergabe des zweiten Streckenteils erfolgte erst am 15. April 1873, denn in Niedersachsen fiel - ähnlich wie heute bei der Autobahn-Nordverlängerung - eine Entscheidung sehr spät.
Damit war Mitteldeutschland endlich mit den Nordseehäfen verbunden - vorerst eingleisig. Da Personen- und Güterverkehr jedoch rasant wuchsen, wurde ab 1909 durchgehend ein zweites Gleis gelegt. Salzwedel erhielt damit eine hervorragende Anbindung ans internationale Schienennetz. Schnellzüge fuhren von Dresden und Berlin durch die Altmark in Richtung Hamburg und Wilhelmshaven. Viele auswanderungswillige Deutsche nutzten diese Route, um von den Nordseehäfen per Schiff nach Amerika zu gelangen. So erhielt diese Eisenbahnverbindung vom Volksmund den Namen "Amerika-Linie", der bis heute im Sprachgebrauch erhalten geblieben ist. Allerdings genügt nur noch der Abschnitt zwischen Berlin und Uelzen modernsten Ansprüchen. Einen Ausbau der desolaten Verbindung von Uelzen nach Langwedel auf 120 Stundenkilometer hat Niedersachsen abgelehnt. Deshalb verkehren in Richtung Bremen nur noch einige wenige Regionalbahnen. Lediglich freitags zuckelt ein Intercity von Munster nach Uelzen, um dann in ordentlichem Tempo nach Berlin zu brausen. Hoffnung gibt der Ausbau des neuen Tiefseewasserhafens Wilhelmshaven, der enorme Kapazitäten Güterleistung auf der Schiene benötigt. In den 1930er Jahren erhielt die "Amerika-Linie" eine grundlegende Modernisierung. Die Versuchsstrecke ermöglichte schon damals sogar Tempo 160 (!) und ein über 700 Meter langes Überholgleis an der Blockstelle Cheine eine noch größere Auslastung. Unaufhörlich rollten im Zweiten Weltkrieg Militärzüge über diese Strecke.
Nach 1945 blieb die Verbindung zwischen Salzwedel und in der Zeit von 13 bis 18 Uhr zum Einkaufsbummel ein. Die Demmert-Privatbrauerei Neuendorf präsentiert nicht nur verschiedene altmärkische Biere, sondern auch die Rohstoffe und eine Vielzahl von Sonderetiketten, die sicherlich jedes Sammlerherz höher schlagen lassen. Bei einem kleinen Flohmarkt auf dem Rathausturmplatz können biertypische Utensilien ge- und verkauft werden. Anmeldungen hierfür sowie auch für das Fassrollen sind bei Werbegemeinschafts-Mitarbeiterin Bergen/Dumme erhalten. Viele Grenzgänger frequentierten die ständig überfüllten Züge. Im Juli 1951 wurde der Bahnbetrieb kurzfristig eingestellt, die Gleisanlagen umgehend abgebaut. Auch die Schnellzuggleise zwischen Salzwedel und Stendal wurden demontiert und durch einen schlechteren Oberbau ersetzt, der nur noch eine Maximalgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern zuließ. Personenzüge benötigten so für die 57 Kilometer fast zwei volle Stunden. Erst dank der Erdgasförderung an der Jeetze wurden Anfang der 1970er Jahre die Gleisanlagen erneuert. Am 31. Mai 1972 gab Reichsbahn-Obersekretär Jürgen Kreitz den Abfahrtsbefehl für das neue DZug - Paar Salzwedel - Dresden.
Aber erst mit dem Projekt Deutsche Einheit Nummer 3 erlangte die "Amerika-Linie" nach der politischen Wende ihre alte Bedeutung annähernd zurück. Im April 1993 legte Verkehrsminister Günther Krause bei Hestedt den Grundstein für Ausbau und Elektrifizierung. Proteste in Niedersachsen verzögerten den Bau. Ab 1997 verkehrten zwischen Salzwedel und Stendal Züge auf neuen Gleisen, aus Kostengründen zunächst nur eingleisig. Der erste Sonderzug aus Uelzen rollte am 18. Dezember 1999 in Salzwedel ein. Nach 54 Jahren gelang damit der Lückenschluss zwischen Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Wie bereits vor 70 Jahren ist die Strecke wieder für Tempo 160 zugelassen.


Ein Bauzug bei Nienbergen im Jahr 1999 bei der Vorbereitung der Fahrmasten für die Elektrifizierung der "Amerika-Linie".


Der Sonderzug aus Uelzen, mit reichlich Prominenz an Bord, erreichte am Vormittag des 18. Dezember 1999 den Salzwedeler Bahnhof.  Fotos: Bodo Habermann