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Volksstimme vom 23.06.2007

Dampfend durchs Dickicht

"Schwarze Lady" fuhr gestern in Richtung Arendsee / Schienen und Schwellen sind noch in Ordnung

von Holger Thiel

68 Jahre alt und noch immer voller Kraft. Selbst Äste und hüfthohes Gras können sie nicht aufhalten: Nach eineinhalb Jahren Pause fuhr gestern wieder eine Dampflok von Salzwedel nach Arendsee. Eine abenteuerliche Fahrt, die bei den Zaungästen die Sehnsucht nach einem regelmäßigen Bahnverkehr zwischen beiden Städten weckte.

Salzwedel "Mach den Patienten zu", ruft Burkhard Bonn, Chef der Salzwedeler Dampflokfreunde, Klaus Porip zu. Er hat noch einmal die Elektro-Anlage gecheckt, denn auch bei der Probefahrt muss Strom die drei Front-Lampen der 150 Tonnen schweren Dampflok erreichen. Blick auf die Uhr. 16.30 Uhr ist Abfahrt. Jetzt noch die letzten Handgriffe. Eine Kettensäge wird in den angehängten dreiachsigen Gepäckwagen gelegt. In den Personenwagen nehmen Vereinsmitglieder und Bahn-Fans Platz. Lokführer Ullrich Winterberg lässt die "Schwarze Lady" laut pfeifen. Es geht los. Eine Testfahrt für die Lok mit ihren sanierten Kolbenringen im Triebwerk und für die beiden sanierten Waggons, die heute und morgen während des Lokschuppenfestes zu sehen sind. Mit dabei ist ein Prüfer vom Eisenbahnbundesamt.

Ullrich Winterberg, Lokführer seit 1961, lässt es ruhig angehen. Konzentriert gibt er Dampf. Keine leichte Fahrt für ihn. Sind Schienen und Gleise wirklich in Ordnung? Was ist mit dem Gras und den Bäumen auf der abbestellten Strecke? Halten auch die Autos an den Bahnübergängen? Es geht alles glatt. Sehr glatt. Zwar schlagen immer wieder Äste gegen die Lok und die Waggons, fegen sogar den Besen vom Tender, doch ansonsten keine Probleme.

Erst auf dem Bahnhof Binde/Kaulitz wird eine kleine Pause eingelegt. Heizer Dirk Endisch befreit die "Schwarze Lady" von ihrem Laub-"Schmuck". Dann geht es weiter. Doch nach zehn Minuten quietschen die Bremsen. Eine Robinie liegt auf den Schienen. Noch nicht lange. Erst im März hatten die Dampflokfreunde die Bahnstrecke beräumt und weitgehend freigeschnitten. Gestern Vormittag hatten sie die Bahnübergänge noch einmal freigelegt. Nichts soll schief gehen. Jetzt kommt die Kettensäge nun doch zum Einsatz, während die Weichen-Besen und Hacken weiterhin im Gepäckwagen vor sich hin schlummern. Immer wieder wird an den Bahnübergängen abgebremst. Zwei Dampflokfreunde sichern die Übergänge ab. Auf die automatische Halbschranke am Arendseer Ortseingang ist auch kein Verlass. Die Schranken reagieren nicht auf den herannahenden Zug. "Was kostet eine Fahrt?", will eine Passantin dort wissen. "Unbezahlbar", ruft ein Mitreisender. Die anderen schmunzeln. Viele sind mit einem Fotoapparat bewaffnet. Mit einem langen Pfeifen erreicht die Dampflok kurz vor 18 Uhr den Arendseer Bahnhof. "Jetzt ein Bier", seufzt fordernd ein Vereinsmitglied. Doch Fehlanzeige. Das Bahnhofsgebäude ist zugenagelt. Keine Gaststätte mehr. Rasch füllt sich das Bahnhofsgelände. Viele Arendseer und ihre Gäste wollen die Dampflok sehen. Burkhard Bonn verteilt Werbeflyer für das Lokschuppen-Fest, während die Lok rangiert. "Vage kann ich mich noch daran erinnern, wie das war mit dem Zug nach Arendsee", sagt eine Frau im besten Alter. Kurz vor 20 Uhr ist der Zug wieder am Salzwedeler Lokschuppen.

Auf der fast 23 Kilometer langen Strecke ist im Mai 1922 erstmalig ein Zug gefahren. Diese Bahnlinie war immer ein Zuschussgeschäft. In DDR-Zeiten sorgte sie dafür, dass Touristen aus der gesamten Republik nach Arendsee gelangen konnten. Zudem war die Bahnlinie Salzwedel-Arendsee-Wittenberge eine Ausweichstrecke für den Güterverkehr. Das endgültige Aus kam am 11. Dezember 2004, als letztmals fahrplanmäßig ein Zug nach Arendsee fuhr. Das Land hat die Bahnlinie aus Kostengründen abbestellt. Trotz vieler Proteste, trotz eines zeitlichen Aufschubs. 2005 hat die Deutsche Regionaleisenbahn GmbH die Strecke von der Bahn AG gepachtet. Sie will sie wieder beleben. Zukunftsmusik.

Fest steht aber, dass die Bahnstrecke noch immer befahrbar ist. Allerdings: Die Bahnhöfe links und rechts von den Gleisen sind indes entweder Wohnhäuser oder Ruinen. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte...


Überwuchert sind die Gleise, weit ausladend die Äste der Bäume. Heizer Dirk Endisch befreit während des kleinen Zwischenstopps am Binder Bahnhof die "Schwarze Lady" von Ästen und Blättern.


Einfahrt in Arendsee: Der erste Abschnitt der Testfahrt ist geschafft.


Lokführer Ullrich Winterberg leistet ganze Arbeit.

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