Der Prignitzer vom 08.07.2013
Wittenberge
Wenn Dirk Endisch seinem Großvater voller Vorfreude erzählt: "Am Wochenende fahre ich wieder mal Lok", dann schüttelt der alte Herr nur den Kopf. 40 Berufsjahre habe sein Opa auf dem Führerstand einer Dampflok zugebracht, erzählt Endisch. Der Senior weiß, dass es ein Knochenjob ist, fern ab von der vielbeschworenen Eisenbahnromantik. Das kann aber weder den Enkel noch die anderen Mitglieder im Verein der Dampflokfreunde Salzwedel und im Wittenberger Verein historischer Lokschuppen davon abhalten, sich voll und ganz ihrem Hobby hinzugeben. Und das sind nun mal die riesigen Stahlrösser, die von Dampf angetrieben über die Schienen brausen.
Eine Ahnung davon, wie es auf dem Führerstand eines solchen 22 Meter langen und 140 Tonnen schweren Stahlkolosses zugeht, bekamen am Sonnabend und Sonntag all jene, die sich beim Dampflokfest der beiden Vereine im alten Bw, heute das größte Brandenburger Eisenbahnmuseum, einfanden. Die Zahl derer, die zu Lokführer Bernd Kapahnke in den Führerstand stieg, war groß. Kapahnke war am Freitagabend in besonderer Mission nach Wittenberge gekommen. Er brachte die Dampflok 52 8184. Vier Stunden hat er dafür benötigt. Vereinsmitglieder hatten ihre Beziehungen zum Eisenbahnmuseum Staßfurt spielen lassen, so dass die mächtige Lok aus dem Jahre 1944 an zwei Tagen in Wittenberge zu Gast sein konnte. Endisch, er ist der Vizechef des Salzwedeler Vereins, und Kapahnke kennen sich aus einer gemeinsamen Reichsbahnzeit im Harz. Was der Ausleihe der Lok an die Elbe sicherlich förderlich war.
Trotzdem hat es vier Wochen Organisationszeit und Nerven wie Drahtseile gebraucht, bis klar war: die Lok kann kommen, die Durchfahrt zwischen den planmäßigen Zügen ist gewährleistet. Dass diese und die anderen Mühen für das zweitägige Dampflokfest sich sehr gelohnt haben, zeigen die vielen Besucher. Die meisten liefen mit gezückter Kamera übers Gelände. Zum Museumsbestand gehören vier für die Prignitz typischen Dampflokomotiven der Baureihe 5035, die schwere, rund 2000 PS starke Güterzugmaschine 44 594 und die kleine Dampflok "Emma", Baujahr 1925. Bei so viel hochkarätiger Technik lacht das Eisenbahnerherz. "Und man erinnert sich an seine eigene Zeit im Bw, auch wenn es eine Übergangszeit war", sagt Besucher Wolfgang Fürstenberg. Der ehemalige Reichsbahner Peter Götting ist mit seinem Enkel Luca aus Berlin gekommen, der vor allem die Fahrt vorn beim Lokführer ganz cool findet.
Prominenteste Besucherin des Wochenendes dürfte die SPD-Bundestagsabgeordnete Dagmar Ziegler sein. Vereinsvize Endisch führte sie durch den denkmalgeschützten Lokschuppen, in dem die Loks ihre "Garagen" haben, durch die Werkstatt, "die wir komplett von der Bahn abgekauft haben, damit wir unsere Fahrzeuge instand halten und reparieren können". Endisch erklärt, wo und wie der Lokschuppen saniert wurde. Die Stadt Wittenberge konnte dafür Fördergeld ausgeben. "Dieses Geld ist sehr gut angelegt", konstatiert Ziegler.
Für Leute mit Muskelkraft: Fahrten mit der Draisine. |
SPD-Bundestagsabgeordnete Dagmar Ziegler im Lokführerstand. |
Bernd Kapahnke fuhr die Staßfurter Dampflok nach Wittenberge. |
Bei einer derartigen Parade von Dampfrössern schlägt nicht nur Eisenbahnenthusiasten das Herz. Zu den vier im Wittenberger Depot heimischen Loks gesellte sich die Staßfurter (vorn). |
Vereinschef Burkhard Bohn in Aktion. |