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Dieser Artikel stammt aus der Volksstimme vom 05. Mai 2006

Volksstimme-Serie "Bahnstrecken im Altmarkkreis"

Lok dämpft LPG-Kartoffeln

Die Volksstimme stellt in ihrer Serie "Bahnstrecken im Altmarkkreis" die Geschichte von noch existierenden und fast vergessenen Zuglinien in der Region vor. In der heutigen achten Folge: die Kleinbahnlinie Deutsch-Pretzier - Osterburg.

Von Bodo Habermann und Torsten Adam

Salzwedel Schon vor dem Ersten Weltkrieg gab es im Osterburger Raum den Wunsch, das Biesestädtchen mit Salzwedel durch einen Schienenstrang zu verbinden. Das Wirtschaftsleben war derart gewachsen, dass ein seit Jahren diskutiertes Vorhaben wieder aufgegriffen wurde. Am 25. Januar 1913 gründete sich die Kleinbahn AG Osterburg - Deutsch-Pretzier (heute Pretzier) mit Sitz in Osterburg. Die Bauleitung wurde dem Oberingenieur Heinrich Adrian übertragen. Der Landeshauptmann in Merseburg zeichnete für die Bauausführung verantwortlich.
Zunächst sollte eine regelspurige Kleinbahn von Osterburg über Klein-Rossau nach Deutsch-Pretzier gebaut werden, wo ein Anschluss an die Staatsbahnstrecke Salzwedel - Stendal bestand. In Klein-Rossau traf die Bahnlinie auf die Strecke Stendal - Arendsee. Am 14. Juli 1914 folgte die Freigabe der 39 Kilometer langen Linie. Ein geplanter Nebenanschluss von Klein Gartz nach Kricheldorf kam nicht zur Ausführung. Es entwickelte sich zunächst ein lebhafter Personen- und Güterverkehr. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die nach 1918 rationierte Zuckerherstellung führten jedoch zu einem drastischen Rückgang der Gütertransporte, deren Rückgrat Vieh, Getreide, Kartoffeln, Bau- und Brennstoffe sowie Düngemittel waren.
Am 9. März 1940 ereignete sich auf der Strecke ein Unfall. Als ein kurzer Personenzug auf dem Weg nach Osterburg zwischen Gladigau und Schmersau die Biese überquerte, sackte durch starke Unterspülung und Eisgang der Mittelpfeiler der Brücke ab. Während beide Personenwagen auf dem Gleis blieben, rutschte die kleine Dampflok die Böschung herunter. Glücklicherweise gab es keine Verletzen.
Mit Gründung der DDR wurde die Linie wie alle anderen altmärkischen Kleinbahnstrecken der Deutschen Reichsbahn zwangszugeordnet. Da die Unterhaltung immer mehr vernachlässigt wurde, benötigten die kleinen Triebwagen laut Sommerfahrplan 1966 für die gesamte Distanz stolze 138 Minuten. Im Jahr 1928 hatten die Dampflokzüge die 39 Kilometer noch in 87 Minuten abgespult. Da einige Züge zwischen Salzwedel und Osterburg verkehrten, mussten sie in Pretzier zeitaufwändig auf die Kleinbahnspur umgesetzt werden.
Dank des Betonwerkes in Kleinau entwickelte sich in den 50er Jahren nach und von Osterburg ein reger Güterverkehr. Dafür erwies sich das Teilstück zwischen Kleinau-West und Pretzier als immer unrentabler, so dass dort der Personenverkehr am 27. September 1969 eingestellt wurde. Kurze Zeit später erfolgte der Gleisrückbau. Der ehemalige Kleinbahnhof in Pretzier verwandelte sich in einen Schrottsammelplatz und hatte nur noch ein Verladegleis. Auch der Kleinbahnhof Osterburg wurde stillgelegt, die Kleinbahn direkt in die Gleise der Hauptbahn eingebunden. Da bald auch der Abschnitt zwischen Biesestadt und Kleinau für den Personenverkehr immer unwirtschaftlicher wurde, rollte dort am 29. September 1975 der letzte Zug. Ein weiteres Stück altmärkischer Kleinbahngeschichte ging damit zu Ende.


Der lange Aufenthalt der Personenzüge in Osterburg wurde dazu genutzt, die Dampflok für landwirtschaftliche Zwecke einzusetzen. Auf einem Abstellgleis wurden mit ihrer Hilfe Kartoffeln für die LPG gedämpft. Das Experiment gelang.


Die kleinen Triebwagen, die bei Bedarf einen Beiwagen mitführten, waren typisch für die Kleinbahnstrecken in der Altmark.  Fotos: Bodo Habermann